Das G8-Abitur beschert Schülern zwar eine verkürzte Zeit im Klassenzimmer, geht zugleich aber auch einher mit einem straffen Leistungsplan und Einschränkungen. Insbesondere die Planung des Auslandsjahres, das von vielen angehenden Abiturienten zuvor in der 11. Jahrgangsstufe angestrebt wurde, lässt sich nur noch schwer und mit einigen Entbehrungen verwirklichen. Und das, obwohl die Austauschprogramme der Anbieter am Markt immer vielseitiger und umfangreicher werden. Aber auch wenn G8 den Schülern Steine in den Weg legt: Viele Wege führen auch weiterhin ins Ausland. Wie man diese bestreitet oder welche Opfer man dafür eventuell bereit ist zu erbringen, müssen Schüler und auch Eltern ganz allein entscheiden.
Das G8-Problem für deine Reisepläne
Mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz wurde die Schulzeit für das Abitur auf 12 Jahre verkürzt. Die Schüler müssen somit das gleiche Pensum an Leistung erbringen, haben dafür allerdings ein Jahr weniger Zeit als die Abiturienten der Vorjahre. Die 11. Jahrgangsstufe galt daher im klassischen Abitur als eine Art Orientierungsphase. Sozusagen eine Brücke zwischen Mittelstufe und Oberstufe. Der ideale Zeitpunkt für viele Schüler, ein Auslandsjahr – zum Beispiel in Amerika oder Australien – anzustreben. In der Regel ließ sich das auch immer ohne Probleme verwirklichen. Die Jugendlichen verbrachten ein Jahr an einer ausländischen Schule und konnten anschließend sofort wieder in die 12. Klasse integriert werden.
Mittlerweile gilt das 11. Schuljahr allerdings als Qualifikationsphase. Wer das Jahr vor dem Abitur versäumt, dessen Chancen stehen denkbar schlecht, die Prüfungen im Folgejahr zu bestehen. Will man dennoch zu diesem Zeitpunkt auf die Auslandszeit nicht verzichten, dann muss die 11. Klasse nach der Rückkehr wohl oder übel wiederholt werden. Somit werden die Schüler aus dem Klassenverband gerissen, müssen sich nach ihrer Rückkehr neu orientieren und natürlich ein weiteres Jahr die Schulbank drücken. Keine rosigen Aussichten und mit einer der Gründe, warum Schüler und Eltern nach weiteren Alternativen suchen. Ein Auslandsjahr ist schließlich eine echte Bereicherung für die jungen Leute. Neue Erfahrungen werden gesammelt, Sprachkentnisse erworben und die Schüler eignen sich abseits von Eltern und Freunden eine gewisse Selbstständigkeit und Unabhängigkeit an.
Austauschprogramme in neuem Gewand
Auch viele Anbieter für Austauschprogramme haben mittlerweile auf die neue G8-Situation reagiert. Es werden jetzt zum Beispiel spezielle Austauschverfahren für Schüler ab 14 Jahren angeboten. Die Auslandszeit erfolgt somit in der zehnten Klasse und die Jugendlichen werden in ihrer Unterbringung vor Ort intensiver betreut als ältere Teilnehmer. Eltern haben dennoch oft bedenken, ihre Kinder in diesem Alter in die weite Ferne schweifen zu lassen. Die Jugendlichen sind ihrer Ansicht nach noch nicht reif genug, um ein solches Abenteuer allein bestehen zu können. Hier vermischen sich dann die Ängste der Eltern mit der Frustration der Jugendlichen. Denen werden die Erfahrungswerte der Auslandszeit verwehrt. Das Fernweh muss also warten, bis die 18 Kerzen auf dem Geburtstagskuchen brennen. Allerdings gibt es mittlerweile auch sogenannte Kurzzeitprogramme, in denen sich die Auslandszeit lediglich auf wenige Monate oder sogar nur Wochen beschränkt. Wer zum Beispiel für 6 Wochen an einem solchen Programm teilnehmen will, kann dieses auch ohne Probleme in den Sommerferien durchführen.
Experten sehen in einem solchen Turbo-Austausch allerdings keinen Sinn. Der Aufenthalt von wenigen Wochen oder Monaten ist nicht effektiv genug, um neue Sprachkenntnisse oder auch Eindrücke der jeweiligen Kultur zu gewinnen. Genau das ist es ja schließlich, was die Auslandszeit von einer Urlaubsreise oder auch Sprachreise unterscheidet. Dass man eben nicht nur wenige Wochen, sondern ein ganzes Jahr in einem fremden Land verbringt, Selbstständigkeit erlernt und sich in einer neuen Situation dauerhaft zurechtfindet.
Auslandsaufenthalt nach dem Abitur
Für viele Eltern und Schüler gibt es mittlerweile nur noch eine plausible Alternative, mit der sich die Auslandszeit letztendlich doch noch realisieren lässt. Hier ist Geduld gefragt, da bis zum Ende des 12. Schuljahres gewartet werden muss. Die Reise in die USA oder andere Länder muss also warten, bis das Abiturzeugnis in der Tasche ist und die Jugendlichen – zumindest nach Auffassung der Eltern – alt genug sind, um sich dem Abenteuer zu stellen. Dieses Jahr kann dann als sogenanntes Gap-Year genutzt werden. Also jene Phase zwischen schulischer und akademischer oder beruflicher Ausbildung. Die Abiturienten haben die Gelegenheit, diese Pause sinnvoll zu nutzen und fernab der Heimat neue Erfahrungen zu sammeln.
Sei es als Au-pair in den USA oder bei Farmarbeiten in einem Work & Travel Programm. Auch ein Highschool-Jahr in Amerika oder ehrenamtliche Hilfe in Ländern wie Afrika oder Südamerika sind zu diesem Zeitpunkt durchaus möglich. Die Schüler sind schließlich reifer und älter und ihnen stehen vielseitigere Möglichkeiten offen, als es zuvor beispielsweise mit 16 Jahren der Fall gewesen wäre.
Die Auslandszeit nach dem Abitur ist für viele daher im Rahmen der G8-Veränderungen zu einer beliebten Option geworden.
Einziger Nachteil ist, dass auf die Erfahrungswerte während der Schulzeit verzichtet werden muss. Dafür bereitet das Gap-Year aber auch auf den Einstieg in die Berufs- oder Studienwelt vor und man verhindert unschöne Lücken im Lebenslauf.
Das G8-Abitur ist nicht ohne Grund umstritten. Schüler sehen sich mit einem hohen Leistungsdruck konfrontiert und müssen im Rahmen des Turboabiturs nicht selten auch auf das erwünschte Auslandsjahr verzichten. Immerhin gibt es in Form der Kurzzeitprogramme oder auch durch die Auslandsreise nach dem Schulabschluss einige Alternativen, um sich diesen Traum doch noch zu erfüllen.